Das Laden eines Elektroautos dauert doch viel zu lange… Ähm, nein! Das ist einfach nur falsch. Ok, im Gegensatz zum Tankvorgang kann man sagen, dass der Ladevorgang eines eAutos länger dauert. Kennt man aber einige Werte, kommt man schnell drauf, dass das Laden eines Elektroautos gar nicht so lange dauert.
Einleitung
3,7 Kilowatt, 60 Kilowattstunden, 10 Ampere – wenn du dich jetzt frägst, was diese Werte eigentlich bedeuten, dann bist du hier genau richtig. Wir beantworten heute die Frage, wie lange die Ladung eines Elektrofahrzeugs dauert. Dazu werden wir dir anhand von einigen Beispielen zeigen, was berücksichtigt werden muss, wenn du deine Ladezeit berechnen willst.
AC vs DC – daheim rockt die Wechselspannung den Akku
Wenn wir von Wallboxen und vom Laden zuhause sprechen, reden wir immer von der AC-Ladung, also das Laden mit Wechselstrom bis maximal 22kW. Im Kundensupport hören wir öfter “Ja, aber mein Fahrzeug kann doch mit 100kW laden”. Das ist richtig, die Ladung erfolgt dann aber an einer Gleichstrom-Ladesäule.
Diese DC-Lader findet man häufig an Autobahnraststätten, in Ladeparks oder – in seltenen Fällen – auch an Einkaufsmöglichkeiten. Das Ladekabel befindet sich dann immer an der Ladesäule direkt, so dass das im Kofferraum liegende Typ-2-Ladekabel nicht benötigt wird. Das würde übrigens auch gar nicht funktionieren, da es sich um einen etwas veränderten Steckertypen handelt.
Die Basics
Formel zur Berechnung der Ladegeschwindigkeit
(Batteriekapazität / Ladeleistung)*1,3 = Ladezeit
Im folgenden erklären wir diese Rechnung.
Wenn du ein Elektroauto kaufst, dann hat der Akku eine bestimmte Kapazität, also einen Wert, wieviel Leistung der Akku aufnehmen kann. Dieser Wert wird in Kilowattstunden angegeben oder kurz kWh. Ein Tesla Model S 90D hat zum Beispiel einen 90-kWh-Akku.
Der nächste, für die Ladung relevante Wert, ist die Ladeleistung, welche in kW also Kilowatt angegeben wird. Hier müssen wir auf die komplette Ladekette achten. Es spielt also die Ladeleistung des Fahrzeugs, die Ladeleistung der Wallbox oder Ladesäule und die Ladeleistung des Ladekabels eine Rolle. Ganz nach dem Motto “Das kleinste Glied der Kette bestimmt die Ladeleistung” zählt der niedrigste Wert. Das Tesla Model S 90D kann mit maximal 22kW laden. Hat man nun eine Wallbox die 11kW maximal abgibt und ein Ladekabel das nur mit 3,7kW laden kann, lädt das Fahrzeug letztendlich nur mit 3,7 kW. Die volle Ladeleistung erhält man also, wenn man das Model S an einer 22kW Wallbox mit einem 22kW Ladekabel lädt. Als ob das nicht schon alles kompliziert genug ist, gibt es noch die Amperezahl, also die Mindeststromstärke, die ein Fahrzeug benötigt, um den Ladevorgang starten zu können.
Besonders bei den rein mit Batterie betriebenen Fahrzeugen spielt diese Zahl eine Rolle, da es manche Fahrzeuge gibt, die eine hohe Stromstärke benötigen um überhaupt mit der Ladung beginnen zu können. Zum Beispiel benötigt der Renault Zoe, der Opel Corsa oder auch der Smart eine Mindeststromstärke von 10A. Einen direkten Einfluss für die Berechnung der Ladezeit hat dieser Wert aber nicht, so dass wir uns auf die vorher genannten kWh und kW konzentrieren.
Die Ladekurve
Prinzipiell ist die Berechnung der Ladezeit einfach. Man nimmt einfach die Akkukapazität und teilt diese durch die verfügbare Ladeleistung. Das Ergebnis ist ein Wert welcher der Ladedauer schon recht nahe kommt. Jeder Akku hat aber eine Ladekurve, das heißt, dass der Akku am Anfang und am Ende langsamer lädt. Das kannst du am besten mit dem Ladeverhalten von Smartphones vergleichen. Auch diese haben diese Ladekurve, die zur Mitte am höchsten ausschlägt. Um also auf eine möglichst genaue Berechnung der Ladezeit zu kommen, hat sich ein Multiplikator von 1,3 als praktikabel herausgestellt. Das heißt also, dass wir das Ergebnis von “Kapazität geteilt durch Ladeleistung” mit 1,3 multiplizieren müssen. Nehmen wir unseren Tesla an der 22kW-Ladesäule würde die Rechnung also (90/22) x 1,3 lauten. Die Vollladung bei einem Akkustand von 0 ist also in etwa 5,3 Stunden erreicht.
Was heißt das für die Praxis?
Ihr seht schon, wir gehen hier von sehr theoretischen Werten aus. Kaum ein Elektrofahrer wird mit einem absolut entleerten Akku an der Lademöglichkeit ankommen, so dass unterwegs der Akku immer etwas geladen sein wird. Die Ladezeit verkürzt sich dann eben um den Wert. Ist ein Akku zu 30% voll heißt das, dass sich die Ladezeit eben um etwa ein Drittel, also etwa 30 Prozent, reduziert.
An der heimischen Wallbox sieht das Ganze noch entspannter aus. Das Auto wird meistens tagsüber benötigt, um in die Arbeit zu kommen, Besorgungen zu machen oder um mal ins Grüne zu fahren. Abends steht das Fahrzeug in den meisten Fällen in der Garage. Wenn man jetzt also eine 11kW-Wallbox zuhause hat und ein Fahrzeug mit einem komplett leeren 80-kWh-Akku an die Wallbox hängt dauert es etwa 9,5 Stunden bis der Akku voll ist. Benötigt man jetzt am nächsten Tag um 7 Uhr das Fahrzeug mit einer komplett gefüllten Batterie, würde das heißen, dass das Fahrzeug um 21 Uhr am Vortag angesteckt werden müsste. Ihr seht anhand dieser Rechnung, dass für die meisten Anwender eine 11-kW-Wallbox ausreichend ist. Nehmen wir jetzt mal an, dass der Akku noch zu 20 Prozent gefüllt ist, reduziert sich die Ladezeit auf sportliche 7,6 Stunden und es würde reichen, wenn ich das E-Auto um 23:30 Uhr anstecke.
Es geht noch tiefer
Wir sind bis jetzt immer von Fahrzeugen ausgegangen die dreiphasig mit 11 oder 22 kW laden können. Es gibt aber auch E-Autos, die nur einphasig oder zweiphasig laden. Einphasig ist an Wallboxen eine maximale Ladung von 3,7 kW möglich. Warum das so ist wollen wir heute mal außer Acht lassen. Wenn dein Fahrzeug also einphasig mit 3,7 kW laden kann, ist das auch der Wert den wir für die Berechnung der Ladeleistung nutzen müssen. Im letzten Teil zeige ich euch noch ein paar Beispiele für die verschiedenen Ladearten, also haltet durch! Eine einphasige Ladung kann zum Beispiel an einer 11kW Wallbox erreicht werden. Vereinfacht kann man sagen, dass man die einphasige Ladung eines Fahrzeugs berechnen kann, wenn man die maximale Ladeleistung der Wallbox durch 3 teilt. Bei der 11kW Wallbox sind das also etwa 3,7 kW, bei einer 22kW-Wallbox kommen wir dagegen auf ein Ergebnis von 7,4kW. Das heißt also, dass ein Fahrzeug, welches eine einphasige Ladeleistung von 7,4 kW verarbeiten kann, die volle Leistung nur an einer 22kW Wallbox abrufen kann. Jetzt wird es noch komplizierter, denn: 7,4kW sind nicht gleich 7,4 kW. Ein Skoda Enyaq iV 50 aus dem Jahr 2021 kann zweiphasig mit 7,4 kW laden. Er lädt also über zwei Phasen, also zwei Leitungen, des Ladekabels. Wie wir wissen, kann eine 11kW Wallbox pro Phase mit 3,7 kW laden. Nimmt man nun die zwei Phasen, die der Enyaq ja nutzt, wird mit 2 mal 3,7kW also insgesamt 7,4kW geladen. Da die Ladeleistung fahrzeugseitig auf 3,7kW pro Phase begrenzt ist, würde es auch nichts bringen an einer 22kW Ladelösung zu laden, da die maximale Leistung nicht abgerufen werden kann. Übrigens hört unser Supportteam ziemlich oft, ob den ein Fahrzeug mit einem Ladekabel, dass mehr Leistung verarbeiten kann, schneller lädt. Die Antwort kennt ihr jetzt sicherlich: kommt drauf an. Und auf was? Genau! Auf die maximale Ladeleistung des Fahrzeugs, auf die Phasen und auf die maximale Ladeleistung der Wallbox. Ganz einfach, oder?
Nein? Ok, dann sehen wir uns mal ein paar Beispiele an.
Beispiele
Tesla Model S 90D
Das Tesla Model S 90D kann mit 22kW laden. An der 22kW Wallbox mit einem 22kW Kabel lädt das Fahrzeug also mit 22kW. Unter Berücksichtigung der Ladekurve ergibt sich eine maximale Ladezeit von 5,5 Stunden. Tauscht man das Ladekabel gegen ein 11kW-Ladekabel, dauert die Vollladung gerundete 10,5 Stunden. Selbes gilt für eine Ladung an einer 11kW Wallbox mit einem 22kW Kabel. Stecken wir nun den Tesla an einer Wallbox an, die mit 3,7 kW einphasig lädt, dauert der ganze Ladevorgang von 0 auf 100 Prozent Akkukapazität satte 31 Stunden.
Kia Niro Plug-in Hybrid
Für das nächste Beispiel sehen wir uns mal einen Plugin-Hybriden an, also ein Fahrzeug welches einen kleinen Akku hat und zusätzlich mit Benzin fährt. Der Kia Niro hat eine Akkukapazität von 8,9kWh und eine maximale Ladeleistung von 3,3kW. Auf Grund des kleinen Akkus wäre sogar die Ladung mit einem Notladekabel, welches auch bei uns im Shop erhältlich ist, möglich. So ein Notladekabel hat eine Ladeleistung von 2,3 kW und wird einfach in die Haushaltssteckdose eingesteckt. Die Ladung dauert dann also – wir rechnen nach, 8,9kWh geteilt durch 2,3kW mal 1,3 – etwa 5 Stunden. An der 11kW Wallbox würde der Ladevorgang etwa 3,5 Stunden dauern, da das Fahrzeug die Ladung auf einphasig 3,3 kW durch den Onboardlader beschränkt ist. Somit würde auch das Laden an einer 22kW Wallbox keine Verbesserung mit sich bringen.
VW ID.3 Pro S (77 kWh)
Zugegeben, das waren jetzt zwei sehr extreme Rechnereien. Als letztes Beispiel nehmen wir mal einen echten Volkswagen, nämlich den ID3 von VW. Das Model Pro S hat eine Akkukapazität von 77kWh und kann mit maximal 11kW laden. Egal ob an der 11kW- oder 22kW-Wallbox ist das Fahrzeug in etwa 9 Stunden vollgeladen. Die Rechnung war auf Grund der Werte recht einfach: Wir nehmen die Akkukapazität von 77kWH teilen diese durch die vom Fahrzeug vorgegebene Ladeleistung von 11kW und multiplizieren das Ergebnis mit 1,3, um die Ladekurve mit einzubeziehen. Bei der Ladung an der 3,7kW Wallbox erhalten wir eine Ladezeit von 27 Stunden und mit einem Notladekabel mit 2,3 kW dauert die Vollladung satte 43 Stunden – was nicht nur unpraktikabel ist, sondern auch gefährlich sein kann. Oft sind die älteren Steckdosen oder die Hausverkabelung gar nicht für eine solche Dauerlast ausgelegt und es kann zu einem Kabelbrand kommen. Lasst also eure Steckdosen zuhause auf jeden Fall durch eine Elektrofachkraft prüfen, bevor ihr euer Notladekabel ansteckt – oder lasst gleich eine wesentlich sicherere Wallbox installieren.
Zusammenfassung
Wenn ihr bis jetzt durchgehalten habt, fasse ich für euch nochmal das wichtigste zusammen: Die Ladezeit hängt also von verschiedenen Größen ab. In der Regel erhaltet ihr die Ladezeit eines Fahrzeugs, wenn Ihr die Batteriekapazität durch die maximale Ladeleistung teilt und das Ergebnis mit dem Ladekurvenfaktor 1,3 multipliziert. Wichtig: Es bestimmt immer das kleinste Glied der Ladekette aus Fahrzeug, Kabel und Lademöglichkeit die maximale Ladeleistung. Zuhause oder an vielen öffentlichen Ladesäulen wird mit Wechselstrom also AC mit maximal 22kW geladen. Wer schneller laden will, kann das an einer DC-, also Gleichstrom-Ladesäule machen.