Strom ist das Lebenselixier unserer Zeit – und die Stromnetze sind die Bahnen, die dieses Elixier überall verteilen. Die Ansprüche an die Energienetze sind immer wieder Veränderungen unterworfen. Bislang konnte oftmals nur reagiert werden. Der bekannte Zukunftsforscher Lars Thomsen hat sich nun Gedanken dazu gemacht, wohin es mit der Entwicklung der Stromnetze gehen kann. So kann man Pläne schmieden, um proaktiv auf Neuerungen einzugehen.
Innerhalb von 20 Jahren verdoppelt sich der Stromverbrauch
Lars Thomsen erkennt zwei grundlegende Trends:
Zum Ersten boomt aktuell bereits die regenerative Energiegewinnung. Diese Stromproduktion unterliegt allerdings natürlichen Schwankungen – einer Volatilität. Das bedeutet, dass zum Beispiel die Sonne in der Nacht nicht scheint, sich die Windräder bei Windstille nicht drehen und Wellenkraftwerke bei ruhigem Seegang weniger Strom liefern.
Kurz gesagt, die kontinuierliche Energieausbeute ist hierbei nicht konstant.
Zum Zweiten sieht Lars Thomsen, dass die aktuell noch vielfach genutzten fossilen Energieträger wie Erdgas oder Erdöl durch Strom ersetzt werden. Da der Energiebedarf dadurch erheblich steigt, Thomsen geht von einer Verdopplung binnen der kommenden 20 Jahre aus, muss das Stromnetz darauf vorbereitet sein.
Beide Trends werden laut Thomsen nur dann in sicheren Bahnen beherrschbar sein, wenn die regenerative Erzeugung, die steuerbaren Lasten sowie die mobilen und stationären Speicher in einem intelligenten, flexiblen Netz angeordnet sind.
Grundlage dieser Möglichkeit sind die Smart Grids. Diese erkennen Verbrauchsmuster und können darauf aufbauend reagieren. Zudem können gefüllte Stromspeicher auf die Schwankungen durch die regenerative Energiegewinnung reagieren und diese ausgleichen.
„Wäre ich Hersteller oder strategischer Investor, würde ich in Technologieanbieter rund um Smart Grids und Stromspeicher investieren“, so Lars Thomsen.
Neue Player bringen rasche und profitable Innovationen
Bislang galt in puncto Investitionen in die Energieinfrastruktur, dass diese speziell zu Beginn hoch sind und sich erst nach einer langen Phase amortisieren. So konnte es innerhalb der betroffenen Industriezweige schwerer zu einem Wettbewerb vieler Anbieter und daraus folgernd auch zu weniger Innovationen kommen.
Das genannte Prinzip löst sich aktuell auf. Unternehmen wie Tesla, Google oder auch IBM planen laut eigenen Angaben, mit KI- und anderen Software-Lösungen an den nicht regulierten Teilstücken der verschiedenen Strom- und Energienetze zu partizipieren. Durch das Vordringen dieser Konzerne wird laut Thomsen ein Innovationsdruck auf die bislang dort agierenden Energiekonzerne ausgeübt.
Sowohl die „Eindringlinge“ als auch die „Alteingesessenen“ auf dem Markt der Stromnetze werden von dieser Entwicklung wohl profitieren. Der Grund: Beide Seiten werden zuerst dort investieren, wo rasch mehr Geld zu holen ist und wo der Nutzen für die Endkundinnen und Endkunden am höchsten ist. Hier gelten folgende Gebiete als vielversprechend:
- Innovative Software
- Peak-Shaving- und Rapide-Response-Systeme
- Spitzenglättungs-Batterien
- DC-Schnellladeinfrastruktur
- Intelligente und dezentrale Speicherflotten
Auch Abrechnungs- und Systemsteuerungsprozesse werden sich in diesen Feldern verändern. Vor allem sogenannte blockchain-basierte Smart Contracts werden hier vieles vereinfachen.
Fix ist nix – die neue Variabilität von Strompreistarifen
Wie schon erwähnt, steigt die Volatilität durch die regenerative Stromgewinnung. Das wird laut Thomsen zur Folge haben, dass „netzfreundlicher“ Stromkonsum von den entsprechenden Anbietern durch günstigere Bezugspreise für die Endkundinnen und Endkunden belohnt wird.
Der Grund: Über die günstigeren Preise können die Konzerne die Stromabnahme in einem gewissen Maß steuern. Auch hier bleibt aber das Prinzip von Angebot und Nachfrage erhalten. Steht wenig Strom zur Verfügung, ist er teuer und umgekehrt.
In diesem Kontext schauen die Stromnetzbetreiber auch darauf, dass die Netze nicht überlastet werden. Entlasten also die Verbraucherinnen und Verbraucher mit dem Stromabnahmezeitpunkt das Netz, wird dies mit einem punktuell geringeren Strompreis belohnt.
Lars Thomsen: „Das wird auch die Nachfragen nach Smart Grids erhöhen. Zudem werden in der Folge Smart Homes, private oder gewerbliche Erzeugungs- und Speicherlösungen sowie spezielle Tarife für die E-Mobilität boomen.“
E-Autos belasten und entlasten das Stromnetz
E-Autos sind dann gut für die Umwelt, vor allen, wenn der Strom aus den eben genannten regenerativen Quellen stammt. In Sachen Stromnetz sind die Elektrofahrzeuge auf der einen Seite Belastung, auf der anderen aber auch die Entlastung.
Teil des Problems: Je mehr Menschen sich für ein E-Auto entscheiden, desto mehr Strom muss erzeugt und über die Netzstruktur gespeist werden. Das stellt in allen Ländern eine große Herausforderung für die Energienetze dar.
Teil der Lösung: E-Autos sind aber nicht nur Stromabnehmer. Die Batterien in den Elektrofahrzeugen können auch als Stromspeicher fungieren. Über intelligente, bidirektionale Wallboxen kann der dort gelagerte Strom auch wieder in das Hausnetz eingespeist werden. So sind die Besitzerinnen und Besitzer in der Lage, bei hoher Netzbelastung diesem nicht noch mehr aufzubürden. So wird über bidirektionale Wallboxen und die angeschlossenen E-Autos der Druck auf das Gesamtnetz reduziert. Über intelligente Wallboxen lässt sich auch die Ladezeit exakt determinieren. Damit ist es möglich, dann das E-Auto automatisiert zu laden, wenn die Spitzenlast im Netz vorbei ist.
Regenerative Energiequellen als schnelle Profitbringer
Als fünften Punkt, der die Zukunft der Stromnetze beeinflussen wird, nennt Thomsen, die Tatsache, dass der Ausbau von regenerativen Energiequellen sinnvoll und wohl unabdingbar ist. Speziell dadurch, dass fossile Energieträger wie Erdgas oder Erdöl jeweils endliche Produkte darstellen.
Zudem lassen sich die von vielen Regierungen ausgegebenen Klimaschutzziele ohne den massiven Ausbau der regenerativen Energiegewinnung schlicht nicht umsetzen. „Aber“, so Thomsen, „man muss kein Klima- oder Umweltschützer sein, um auf die Solar- und die Windenergie zu setzen. BWLer wissen, dass sich heute der Betrieb eines Kohlekraftwerks kaum noch rechnet. Der ‚Return on Invest‘ beschleunigt sich speziell bei den regenerativen Energiequellen“. Dies gilt vor allem bei der Solarenergie. Zwischen sechs und acht Jahre beträgt hierbei der angesprochene Zeitraum. Vergleicht man dies nun mit anderen Investitionen auf dem Kapitalmarkt, kommt das einer Verzinsung von rund acht Prozent gleich. Kurz gesagt, eine PV- oder Solaranlage auf dem Dach lohnt sich für Privatpersonen ebenso wie für Unternehmen.