Hast du dich schon mal über ein richtig schlecht eingeschenktes Getränk im Gasthaus beschwert? Wahrscheinlich hast du dann auf die Markierung auf dem Glas geschaut und gesehen, dass viel zu wenig Inhalt im Glas ist. Das Ganze ist ziemlich gut mit dem öffentlichen Laden von Elektroautos zu vergleichen, denn auch da gibt es eine Funktion die dem Eichstrich auf Gläsern ähnelt. Diese Grundlage nennt sich Eichrecht und ist gesetzlich geregelt. Wir schauen uns die Hintergründe mal genauer an.
Was bedeutet „eichrechtskonformes Laden“?
Mess- und Eichgesetze sind eigentlich dazu da, die Anforderungen festzulegen, die ein Messgerät für eine bestimmte Einheit einhalten muss: 0,3 oder 0,5 l Flüssigkeit dürfen in Gläsern abgemessen, ausgeschenkt und abgerechnet werden, die über entsprechende Eichstriche verfügen. Damit das Sinn macht, müssen natürlich auch immer Bestimmungen über die Art der Messung festgelegt werden: Der Eichstrich auf dem Glas muss vom Glas-Hersteller unter regelmäßiger Kontrolle durch die zuständigen Behörden aufgebracht werden, der Wirt darf ihn nicht selbst z. B. mit einem Permanentmarker am Glas anbringen.
Die Anfänge der Elektromobilität waren durch Unstimmigkeiten und Konflikte gekennzeichnet, weil die Abrechnung nach dem Laden vom Elektroauto nicht immer transparent nachzuvollziehen war. Jeder CPO (Charge Point Operator, technischer Betreiber von Ladeinfrastruktur) konnte die an seiner Ladestation durchgeführten Ladevorgänge individuell abrechnen, die Betreiber entwickelten einige Fantasie bei den Abrechnungsmodellen. Neben Abrechnung über Pauschalbeträge (die für den Kunden weder gut nachvollziehbar noch besonders günstig waren) wurde die zahlbare Summe mitunter einfach nach der Ladezeit bemessen. Ein unhaltbarer Zustand, der mit jedem neuen Elektroauto auf der Straße für mehr Ärger und mehr Aufregung in den Medien sorgte und von Experten schnell als ernsthaftes Hindernis für die allgemeine Durchsetzung der Elektromobilität identifiziert wurde.
Mit den Regelungen zum eichrechtskonformen Laden wurde festgelegt, dass jeder Ladevorgang für ein Elektroauto in Kilowattstunden (kWh) abgerechnet muss. Das gilt vor allen, wenn das Elektroauto an öffentlich zugänglichen Ladestationen geladen wird, aber auch für Verbraucher und Unternehmer, die das Laden von Elektroautos abrechnen wollen (siehe dazu 3. Absatz).
Außerdem wurden Anforderungen an eichrechtskonforme Ladestationen und die Nachvollziehbarkeit des Messvorgangs und eine Pflicht zur Umrüstung bisher nicht eichrechtskonformer Ladestationen festgelegt, was ein umfangreiches gesetzliches Regelwerk erforderte:
Welche gesetzlichen Grundlagen gelten für eichrechtskonformes Laden?
Europa
Als die Querelen um die Abrechnung des Ladens von Elektroautos langsam Fahrt aufnahmen, war der europäische Gesetzgeber schon längst mit der Regelung dieser Ladevorgänge beschäftigt. Sobald die technische Entwicklung im Bereich der Ladetechnik eine Vereinheitlichung erlaubte, erließ das Europäische Parlament die EU-Richtlinie 2014/94/EU AFID (Alternative Fuels Infrastructure Directive), die den Aufbau der Ladeinfrastruktur für alternative Kraftstoffe regelt.
Deutschland
Der deutsche Gesetzgeber hat diese EU-Richtlinie mit Wirkung zum 1. April 2019 in das deutsche Mess- und Eichrecht umgesetzt. Dazu wurden Bestimmungen zur eichrechtskonformen Abrechnung des elektrischen Stroms an öffentlichen Ladestationen in Deutschland in das deutsche Mess- und Eichgesetz (MessEG) und die deutsche der Mess- und Eichverordnung (MessEV) aufgenommen. Mit der Verordnung zur Novellierung der Preisangabenverordnung vom 23.11.2021 wurde die Preisangabenpflicht zum punktuellen Aufladen von E-Fahrzeugen neugeregelt. Diese Novellierung der Preisangabenverordnung (PAngV) tritt am 28.05.2022 in Kraft.
Für die Errichtung neuer Ladestationen gilt damit bereits seit 1. April 2019, dass sie nur noch mit eichrechtskonformen und konformitätsbewerteten Ladeeinrichtungen aufgebaut werden dürfen.
Für bereits vorhandene (ältere) Ladestationen hat das Bundeswirtschaftsministerium in Abstimmung mit der Ladeinfrastruktur-Branche eine Übergangsregelung festgelegt, um die umweltschonende Elektromobilität nicht durch etwaige Stilllegung nicht eichrechtskonformer Ladestationen ab 01. April 2019 zu blocken. Demnach durften die Betreiber die eichrechtskonforme Nachrüstung individuell mit der zuständigen Eichbehörde absprechen; da aber auch die neue Preisangabenverordnung ab 28.05.2022 von eichrechtskonformer Abrechnung mit geeigneten, eichrechtskonformen Mess-Systemen ausgeht, gerieten Nachzügler kräftig unter Druck.
Zum Aufbau einer eichrechtskonformen Ladeeinrichtung brauchen deutsche Betreiber eine sog. Baumusterprüfbescheinigung, die durch eine Konformitätsbewertungsstelle (z. B. beim Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik VDE, uvm.) nach Abschluss eines Bewertungsverfahrens ausgestellt wird. Voraussetzung für die Zertifizierung sind spezifische Hard- und Softwarelösungen für manipulationssicheres Messen bzw. Energiezählen. Die entscheidende Messkapsel (Logging Gateway oder LGW), die die Messdaten und -informationen bei jedem Ladevorgang verarbeitet, unverwechselbar kennzeichnet und speichert, muss Messwerte und Datensätze anschließend an einen Backendspeicher übertragen. So können die zuständigen Behörden und alle weiteren Berechtigten die gesicherten Ladedaten auch nachträglich auszulesen.
Die Vorbereitungen und Umstände des Aufbaus von Ladestationen für eichrechtskonformes Laden hat der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. hier näher beschrieben. Hier geht es zur VDE Anwendungsregel mit allen Normen, die eichrechtskonformes Laden beim Elektroauto betreffen.
Was müssen Verbraucher und Unternehmen über eichrechtskonformes Laden wissen?
Wenn ein Verbraucher in seinem privaten Eigenheim eine Ladestation für sein Elektroauto baut oder ein Unternehmer seinen Mitarbeitern eine Ladestation zur Verfügung stellt, um die Elektromobilität zu fördern, müssen das keine eichrechtskonformen Ladestation sein. Wichtig: Das gilt aber nur bei einer internen 1:1-Abgabe des Stroms, sobald ein Dritter an der Ladesäule lädt und eine Vermischung der Ladedaten erfolgt, muss wieder auf eine eichrechtskonforme Ladestation realisiert werden.
Wenn Verbraucher oder Unternehmer diese Ladestation möglichst vielen weiteren Menschen zur Verfügung stellen und den Strompreis abrechnen möchten, müssen auch sie eine eichrechtskonforme Ladestation installieren.
Schutz der Verbraucher durch eichrechtskonformes Laden
Darüber hinaus dient die gesamte Gesetzgebung rund um eichrechtskonformes Laden vor allem dem Schutz der Verbraucher, wenn er sein eigenes Elektroauto aufladen muss. Wer ein Elektroauto fährt, ist auf das Laden an Strom-Ladestationen angewiesen, die noch nicht in gleichem Umfang zur Verfügung stehen wie die altbekannten Benzin-Tankstellen. Der Verbraucher kann sein Elektroauto deshalb nicht immer an einer Ladestation seiner Wahl aufladen, deren Preise ihm bereits bekannt ist.
Vor Einführung der gesetzlichen Regeln und Normen konnte jeder Charge Point Operator (CPO) die Ladevorgänge individuell abrechnen. Weil dabei auch Ladezeit-abhängige Abrechnungsmodelle und Abrechnung über Pauschalbeträge möglich waren, konnten Verbraucher den tatsächlich geladenen Strom nicht immer nachvollziehbar berechnen. Diese Situation führte zu zahlreichen Medienberichten über „Abzocke an Ladestationen“, die bestimmt nicht geeignet waren, die Akzeptanz der Elektromobilität zu fördern.
Die Einführung der eichrechtskonformen Abrechnung macht das Laden von elektrischem Strom für das Elektroauto an öffentlichen Ladestationen in Deutschland für den Verbraucher sicher und transparent: Wenn ein Elektroauto eichrechtskonform geladen wird, erfolgt die Abrechnung an jeder Ladestation einheitlich nach Energiemenge in Kilowattstunden (kWh), unabhängig von Zeit oder sonstigen Modalitäten des Ladevorgangs (Aufschläge auf den kWh-Preis bleiben möglich, müssen aber separat ausgewiesen werden).
Eichrechtskonformes Laden bedeutet auch, dass zu jedem einzelnen Ladevorgang dauerhaft ein Datensatz von Messdaten gespeichert wird, womit die Abrechnung jederzeit auf Korrektheit und Echtheit überprüft werden kann. Charge Point Operatoren, eMobility Provider, Marktüberwachungsbehörden und Eichbehörden können die gesicherten Ladedaten direkt vor Ort am Logging Gateway auszulesen und können bei Zweifeln an der eichrechtskonformen Abrechnung unter Umständen auch vom Verbraucher dazu veranlasst werden.
Verbraucher können die Messdaten aber auch ohne vorherige Auseinandersetzungen oder Anträge über die S.A.F.E. Transparenzsoftware für die Elektromobilität überprüfen. Die Abkürzung S.A.F.E. steht für Software Alliance für Elektromobilität, die Transparenzsoftware wurde vom S.A.F.E. e.V. Verein zur Förderung der Forschung und des Verbraucherschutzes im Bereich der Elektromobilität entwickelt und vom VDE geprüft und zertifiziert (Prüfbericht vom 18.04.2019 – 5024855-1470-0001/254265 TL4/shf). Nutzung und Download der Transparenzsoftware für Elektromobilität ist für Verbraucher, Mobilitätsanbieter und Ladestationsbetreiber kostenfrei, hier geht es zum kostenlosen Download.
Fazit: Eichrechtskonformes Laden ist keine Schikane
Wer bis jetzt dachte, das die Eichrechtskonformität eine Schikane für Ladestellenbetreiber ist, der irrt sich. Die Verordnung verschafft sowohl für Betreiber aber auch für Nutzer mehr Transparenz. Eichrechtskonformes Laden wird in ganz Deutschland selbstverständlich, weil auch die letzte alte Ladestation den Strom nicht mehr anders abrechnen kann. Je mehr eichrechtskonforme Ladestationen von Verbrauchern und Unternehmern (zeitlich begrenzt) zum Laden für weitere Elektroautos zur Verfügung gestellt werden, desto schneller ist unser Land bestens mit Ladestationen ausgestattet.